Mittwoch, 11. März 2015

Immanuel Kant: Raum und Zeit sind Verstandeskategorien

(zuletzt geändert im Januar 2024)

In seiner Jugend befasste sich Kant zunächst mit Physik und Astronomie. Während Newton noch gelegentliche Eingriffe Gottes zur Vermeidung eines Gravitationskollapses für notwendig hielt, entwickelte Kant als erster eine rein wissenschaftliche Kosmologie. Er vertrat als erster die Auffassung, dass es sich bei den astronomischen Nebeln um Galaxien ähnlich der Milchstraße handelt.

Die Empiristen (im 19. Jahrhundert nannten sie sich Positivisten) glauben, dass alle menschliche Erkenntnis ausschließlich aus der Erfahrung stammt. Schon Leibniz hatte dagegen eingewandt, dass nur die Tiere ausschließlich aus Erfahrung lernen, während der Mensch dank des logischen Denkens auch über Verstandeswahrheiten verfügt. Immanuel Kant (1724 - 1804) widerlegte den naiven Glauben, dass sich die Erkenntnis nur auf das reine Denken oder nur auf die reine Erfahrung stützen kann. Die Erfahrung der äußeren Welt ist durch Formen unseres Denkens bestimmt, welche der Erfahrung bereits vorausgehen. Von diesen a priori gegebenen Verstandeskategorien bzw. Anschauungsformen sind Raum und Zeit die grundlegenden.

Bezüglich Raum und Zeit schwankte Kant jahrelang zwischen Substantialismus und Relationismus, bis er zu seiner eigenen Auffassung kam. Er diskutiert in seiner "Kritik der reinen Vernunft" die Auffassungen von Newton und Leibniz und lehnt beide ab. Raum und Zeit sind weder eigenständige Dinge (Newton), noch sind sie Eigenschaften der Dinge (Leibniz). Raum und Zeit sind Ordnungssysteme, die unserem Verstand angeboren sind.

Die in der Tradition von Kant stehende Philosophie hat Einsteins relative Zeit seit jeher zurückgewiesen, denn als Verstandeskategorie kann die Zeit nicht relativ sein.

Kant selbst bezeichnete seine Auffassung, wonach wir nicht die Dinge an sich erkennen, sondern sie nur so erkennen, wie sie uns erscheinen, als transzendentalen Idealismus. Das heißt aber keineswegs, dass er die Existenz einer objektiven Realität bestritten hat.

Kants umfassend angelegtes philosophisches Gesamtwerk ist Grundlage oder Hintergrund fast aller philosophischen Entwürfe des 19. Jahrhunderts.


Kritik:

Schon Kants Zeitgenossen haben darüber geklagt, dass seine komplizierten Texte nur schwer lesbar sind. Kants Grundüberlegungen über Raum und Zeit sind jedoch relativ einfach und verständlich. Weniger leicht zu verstehen sind die Ausführungen darüber, wie er zu diesen Grundaussagen kommt. (Kritik der reinen Vernunft/Transzendentale Elementarlehre/Erster Teil).

Nach Kant können wir nur die Erscheinungen der Außenwelt, nicht aber die Dinge an sich erkennen. Dies machte ihn für die überwiegend positivistisch und materialistisch geprägte Naturwissenschaft des 19. Jahrhunderts  uninteressant. Obwohl Kants Idealismus zugleich ein Realismus ist, indem er die Existenz einer Außenwelt voraussetzt, konnte seine Philosophie nicht erklären, warum wir uns mit den angeborenen Vorstellungen von Raum und Zeit in der realen Welt zurechtfinden. Raum und Zeit ohne erkennbaren Bezug zur physikalischen Außenwelt - damit konnte die Physik nicht viel anfangen.  Erst die in der Mitte des 20. Jahrhunderts entstandene evolutionäre Erkenntnistheorie lieferte eine Erklärung für den Zusammenhang zwischen Kants Verstandeskategorien und der realen Außenwelt. 


Nachtrag vom 26. Juli 2023
Erst nach der Veröffentlichung meiner Theorie der Zeit (in diesem Blog sowie als Buch) bin ich zufällig auf folgenden Satz in Kants "Kritik der reinen Vernunft" gestoßen:
"Wollte man der Zeit selbst eine Folge nacheinander beilegen, so müsste man noch eine andere Zeit denken, in welcher diese Folge möglich wäre."
Damit bekräftigt Kant, dass wir uns eine Aufeinanderfolge zwangsläufig nur innerhalb der Zeit als einer uns angeborenen Denk- und Erkenntnisform vorstellen können.  

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