Samstag, 26. Januar 2013

Hat die Zeit eine Geschwindigkeit?

letzter Nachtrag vom September 2021

Wir sprechen vom Verlauf der Zeit und neigen zu der Vorstellung, dass die Zeit wie ein Fluss ständig dahinfließt. Dann liegt die Frage nahe, mit welcher Geschwindigkeit der Fluss fließt. Doch diese Frage resultiert nur aus der Ungenauigkeit der Sprache, die wiederum aus der Ungenauigkeit des Denkens kommt. Von Natur aus haben wir keine genaue Vorstellung davon, was Zeit ist. Der Eindruck des Dahinfließens entsteht auf der Grundlage der ständigen Veränderungen in der Außenwelt. Doch nicht die Zeit fließt dahin, sondern der Verlauf der realen Geschehnisse bildet einen ständig fließenden Strom. Die realen Veränderungen und Bewegungen verlaufen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Die Zeit dagegen fließt nicht und verläuft nicht, sondern ist das Maß für die Dauer zwischen zwei Ereignissen. Mit der Uhr messen wir die Dauer eines bestimmten Vorgangs, woraus wir wiederum die Geschwindigkeit des Vorgangs berechnen können. Die Uhr ist vergleichbar dem Meterstab, den wir als Werkzeug zum Messen von Längen benötigen.

Wir sehen das auch an der Formel  v = s/t  (Geschwindigkeit = zurückgelegte Strecke je Zeiteinheit). Geschwindigkeit wird an der Zeit gemessen, ohne dass der Zeit selbst eine Geschwindigkeit zugeordnet werden kann. Der "gleichmäßige Verlauf der Zeit" - dieser Ausdruck ist ungenau, es muß heißen: Das Gleichmaß der Zeit! -  besteht lediglich darin, dass eine Sekunde (man könnte sich auch auf  eine andere Maßeinheit verständigen) stets die gleiche Dauer hat. Doch die Sekunde hat keine Geschwindigkeit, sondern ist eine Maßeinheit.

Man kann versuchen, sich das an einer Uhr zu verdeutlichen. Es ist ohne Belang, ob der Sand schnell oder langsam durch die Sanduhr fließt. Es kommt nur darauf an, dass der Sand gleichmäßig fließt. Eine Minute kann man dann an der Skala markieren, so dass die Minute jederzeit wieder darstellbar ist (solange man für einen ungestört gleichmäßigen Lauf der Sanduhr sorgt, das heißt, sie darf - ähnlich wie eine Atomuhr - nicht wechselnder Schwerkraft oder Beschleunigung ausgesetzt werden).  -  Entsprechendes gilt für die Pendeluhr. Das Pendel schwingt bei der einen Uhr schnell, bei der anderen Uhr langsam. Es kommt nur auf die gleichmäßige Schwingungsdauer an. Am Zifferblatt der Uhr lesen wir Sekunden ab. Damit vergleichen wir die Dauer eines realen Vorgangs und können seine Dauer in Sekunden angeben.

 Der Gedanke, dass der Gang von Uhren gleichzusetzen ist mit dem Verlauf der Zeit, stammt aus der speziellen Relativitätstheorie und beruht auf der Verwechslung von Zeit und Uhrzeit. Uhren gehen aus unterschiedlichen Gründen nie absolut gleichmäßig. Daraus auf einen unterschiedlichen Verlauf der Zeit zu schließen, ist ein Irrtum. Wenn die Uhr ungleichmäßig geht, dann korrigieren wir die Uhr, nicht aber die Zeit.

Nachtrag vom September 2021:
Die zutreffende Antwort auf die irrige Vorstellung der dahinfließenden Zeit wusste schon Immanuel Kant: "Wollte man der Zeit selbst eine Folge nacheinander beilegen, so müsste man noch eine andere Zeit denken, in welcher diese Folge möglich wäre" (Kritik der reinen Vernunft). 

Samstag, 5. Januar 2013

Der Zeitpfeil

Die Physik erklärt die Richtung der Zeit mit der Entropie. Bestimmte physikalische Vorgänge verlaufen nur in eine Richtung und sind nicht reversibel. Die Wärmeenergie ist im Universum ungleichmäßig verteilt. Weil die Wärme stets von wärmeren zu kälteren Körpern, aber von Natur aus niemals umgekehrt fließt, wird irgend wann im gesamten Universum die selbe Temperatur herrschen. Daher verläuft die Zeit nur vorwärts, nicht rückwärts. Wer eine physikalische Begründung für den Zeitpfeil sucht, der mag mit dieser Erklärung zufrieden sein.

Im Gegensatz zu dem physikalischen Argument der Entropie zeigt eine umfassendere Betrachtung der Wirklichkeit, dass aus Chaos auch Ordnung entsteht. Auf der Grundlage von Materie entsteht Leben. Auf der Grundlage von Leben entsteht Bewusstsein. Auf der Grundlage von Bewusstsein entstehen Verstand und Geist, entstehen geistige Produkte wie Mathematik, wissenschaftliche Theorien und Kunstwerke.

Die absolute Zeit als Denkkategorie und logisches Prinzip hat eine eindeutige Richtung, von der Vergangenheit über die Gegenwart zur Zukunft. Es bleibt lediglich die Frage, ob auch die Zeitrelationen von Natur aus nur vorwärts gerichtet sind.

Zeitrelationen entstehen aus dem Nacheinander von Veränderungen und Ereignissen. Im Nacheinander ist bereits die Richtung von früher zu später gegeben. Wer ein handfesteres Argument braucht: Zeitrelationen können nur von jetzt in die Zukunft gemessen werden. Der Grund dafür ist, dass die Vergangenheit nicht mehr materiell existiert, sondern nur in unserem Gedächtnis. Die Welt befindet sich in jedem Augenblick in einem bestimmten Zustand. Vergangene Zustände sind nur in unserem Gedächtnis, aber nicht mehr real vorhanden. Physikalisch real ist der Zustand der Welt im gegenwärtigen Augenblick, und physikalisch real wird  der Zustand sein, der in einem zukünftigen Augenblick eintreten wird. Um eine Zeitspanne zu messen, kann ich die Stoppuhr nur jetzt starten und in einem zukünftigen Jetzt anhalten. Man kann aber mit der Stoppuhr nicht von jetzt in die Vergangenheit zurück messen.

Wenn ein großer räumlicher Abstand zwischen Beobachter und Objekt besteht, so können zwar Zeitrelationen gemessen werden, die bereits in der Vergangenheit liegen. Was wir jetzt auf der Sonne beobachten, hat sich bereits vor acht Minuten ereignet.  Aber auch in diesem Fall gilt, dass Zeitrelationen nur von früher nach später gemessen werden können.  Was sich vor acht Minuten auf der Sonne ereignet hat, ist Vergangenheit. Aber diese Vergangenheit ist in dem Licht gespeichert, das uns als Informationsträger über den Zustand der Sonne informiert.

Daher haben Zeitrelationen eine eindeutige Richtung. Selbst wenn die Welt wieder zu einem früheren Zustand zurückkehren würde, so wäre das später als jetzt. Gleich welche neuen Ereignisse kommen, gleich ob sie eine Rückentwicklung der Welt bedeuten, sie erfolgen stets in der Zukunft, das heißt später als jetzt. Ein Pendel schwingt hin und her, weg vom Ausgangspunkt und wieder zurück. Trotzdem läuft die Zeit nicht hin und zurück, sondern sie verläuft von einer Pendelschwingung zur anderen stetig nur vorwärts. Das Pendel sagt über die Richtung der Zeit nichts aus, so wenig wie die Entropie ein Beweis für die Richtung der Zeit ist.